Um dem richtigen Bauchgefühl noch ein bisschen Zeit zu lassen, sich zu entwickeln, hat mein Unterbewusstsein beschlossen, nichts zu überstürzen heute! Ohnehin ging es wieder einmal viel bergauf und das damit verbundene, langsame Vorankommen war mir nur mehr als recht! Ich überquerte genüsslich die Grenzübergänge und kehrte mit Vergnügen bei Jayanthi und Ihrer Hausherrin zum Kaffee ein, als diese mich auf der Straße aufgabelte. Daraus wurde noch ein unheimlich leckeres Mittagessen mit original Rezepten aus Sri Lanka, ihrer Heimat!
Doch irgendwann musste ja auch dieser Tag ein Ende nehmen. Und das tat er schon recht zeitig, damit ich dem nächsten Tag nicht allzuviele Kilometer wegnahm! Ich beschloss, mein Zelt auf den Holzdielen eines noch leeren Sommerpavillons aufzuschlagen. Normalerweise wäre dieser Platz wohl die Terrasse des Restaurants gegenüber an der Hauptstraße. Doch das war noch geschlossen und so hatte ich einen Traumplatz mit Blick auf´s Meer, der mich gleichzeitig durch den dunklen Schatten des Daches und den Tresen unsichtbar für Passanten machte. …vorbeifahrende Passanten, muss ich sagen! Oder zumindest Passanten, die die Straße zum Passieren benützen.
Wie gesagt: Es war noch früh am Tag und ich beschloss, mich erst noch ein bisschen in die Sonne am Strand zu hauen, bevor ich mein Zelt aufschlagen würde. Und da passierte das schier Unmögliche! Ich liege da und sehe auf den gut Zwanzig Kilometern Strandlänge nicht eine Menschenseele! Nur eine Frau plantscht als Pünktchen am Horizont. Doch kaum lege ich mich hin, kommt diese Frau nach und nach immer näher, wie mir schein. Ich beobachte das nur stichprobenartig. Und als sie langsam nahe genug kommt, erkenne ich, dass sie in Wirklichkeit ein Mann ist. Und vor allem hat sie noch eine Begleitung dabei…noch ein Mann. Es kommen also ganz, ganz langsam zwei Männer am ansonsten leergefegten Strand auf mich zu. Das kommt mir seltsam vor. Warum immer zu mir? Warum? Ich drehe mich auf den Bauch, sehe nach rechts und sie verschwinden in meinem toten Winkel. Ich drehe den Kopf, schaue nach links und beobachte, wie sie weitergehen…ob sie weitergehen. Und was sie sonst noch tun. Nichts. Eben! Kein Gaffen, kein Glotzen. Sie gehen einfach vorbei! …seltsam!
Doch ich entspanne mich und schlafe ein. Nur nicht tief! Nach einer Weile folgt nochmal der Kontrollblick, wo die beiden mittlerweile hingegangen sind. Und es darf nicht wahr sein: Sie kommen gerade wieder von links so nahe heran, dass ich sie gerade wieder im toten Winkel verschwinden sehe. Na ok, denke ich mir verschlafen, die müssen ja irgendwann wieder zu den beiden Punkten am Horizont werden. Drehen also um. Und damit fühle ich mich eigentlich sicher, denn jetzt sind die durch, und ich schlafe noch unversehrt. Und ich schlafe wohl ziemlich tief jetzt! Und jetzt kommt´s: Plötzlich – wie seiner Zeit im Zelt – schnelle ich vom Schlaf hoch um zu sehen, ob die mittlerweile weit genug weg sind. Ich blicke also nach rechts und da steht einer von den beiden direkt hinter/neben mir! Ich kriege fast einen Herzinfarkt! Dann fasse ich mich schnell wieder (innerlich) und durchdringe ihn mit einem stechenden Blick.
Das komische ist nur: Er schaut gar nicht her! Er steht gute Fünf Meter weg von mir, schaut auf´s Meer und spielt mit einem Tennisball. Aber erst nach einer Weile, als er meinen Stechblick im Nacken spürt, dreht er sich um und schaut mich an – wortlos. Beide. Dann dreht er wieder ab in die Ausgangsposition: Blick auf´s Meer, Tennisball. Ich kann das beim besten Willlen nicht einordnen! Dann suche ich nach dem zweiten Mann. Und finde ihn oben auf der Terrasse auf einer Schaukel sitzen. Mein Herz schlägt nochmal auf! Doch er tut nichts. Mein Rad steht seelenruhig und er sitzt einfach nur da und schaut – wie sein Kollege – weg von mir. In Richtung Straße. Er dreht sich nicht um. Er war auch vorher derjenige, der ohne Seitenblick vorbeigegangen ist. Jetzt vermute ich, dass der, der bei mir steht, dem oben per Handy etwas schreibt, dass ich wach bin oder so, aber wieder nichts. Der oben hat überhaupt nichts in den Händen. Er sitzt völlig blank auf der Schaukel und schaut weg. Das war das Gruseligste dran!
Ich schaue wieder zu dem bei mir. Dann nach gut einer Minute dreht er sich um, schaut mich nochmal an, geht den kleinen Abhang hinauf zu seinem Kumpel, bleibt neben ihm stehen, sagt offenbar etwas, daraufhin erhebt sich der andere von der Schaukel und sie gehen in Richtung der Straße davon. Und wieder bleibt der erwartete Rückwärtsblick aus!
Ich verstehe diese Typen nicht! Ich halte sie zuerst für Stranddiebe. Aber an einem Strand ohne Touristen? Und mit Blick auf´s Meer anstatt auf meine Sachen? Und der andere war auch nicht an meinem Rad zugange sondern völlig desinteressiert am Stehlen, wie es schien. Außerdem hätten die mich schon längst ausrauben können – tief genug habe ich ja geschlafen. Und lang genug auch. Da hätten die nicht noch stehen bzw. sitzen bleiben brauchen! Es musste offenbar etwas anderes sein. Aber wie erwähnt: Wirklich interessiert scheint sie mein Anblick ja auch nicht zu haben. Wieso haben die so auffällig nichts getan und so auffällig weggeschaut? Es war so, so rätselhaft, dass ich am Ende beschloss, diesen herrlichen Platz doch noch aufzugeben und mir einen anderen zu suchen. Und dazu fuhr ich zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war. Denn die beiden waren in die Vorwärtsrichtung gegangen und denen wollte ich ja entkommen. Ich hatte auch schon einen weiteren guten Platz im Sinn, da steuerte ich jetzt hin!
Doch unterwegs zog es mich wie durch einen Magneten auf ein abgemähtes Getreidefeld. Auch ein schöner Platz! Und kaum hatte ich dort mein Zelt aufgeschlagen, kam ein hübsches Mädchen daher und fragte, ob ich nicht rüberkommen wollte zu Kaffee und Apfelkuchen. …das wollte ich! Und dann erzählte ich ihr und ihrem Freund von dem Vorfall. Und dann natürlich von der Reise und meinem derzeitigen inneren Konflikt. Da meinten die beiden: Wir sind aus Israel. Warum fährst du denn nicht nach Israel?
Ja genau, warum fahre ich eigentlich nicht nach Israel?
So kam die Lösung zu mir! Und im Nachhinein frage ich mich, ob die beiden Männer nun Gaffer, Diebe oder zwei Engel waren, die mich einfach nur von dem Platz, den ich mir schon ausgesucht hatte, verjagen sollten, damit ich später Hagar und ihrem Freund begegnen konnte! Möglich wäre es, denn habt ihr schon einmal erlebt, dass ihr mit einem Ohr direkt auf dem Sand liegen könnt – nicht einmal durch ein flauschiges Handtuch, sondern nur durch ein dünnes Leintuch getrennt – und jemand sich euch ungehört auf Fünf Meter nähern kann? Geschweige denn durch das dorre Gemüse den Wall hinaufklettern und sich auf die rostige Schaukel setzen? Man hört doch sonst am Strand jeden Tritt der Nachbarn, wenn man den Kopf auf den Sand legt…
Pomos / Zypern (Zelt)
Tages-Km: 63,68km / -Zeit: 5:25h / -Höhenmeter: 1.058m
Gesamt-Km: 6.577km / -Zeit: 453:14h / -Höhenmeter: 60.621
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